Marta Lynch, geboren am 8. März 1925 in Buenos Aires, hat Zeit ihres Lebens vor dem Altern Angst gehabt, Angst besonders vor den Auswirkungen auf Körper und Geist. In Cristina Muccis Biografie "La Señora Lynch" ist zu lesen, dass sie ihren Kindern mitteilte, dass sie sie nicht mit achtzig Jahren sehen würden. Ständige Diäten und Schönheitsoperationen waren ihre Begleiter. In ihrem Haus befanden sich keine Spiegel; sie mochte ihr eigenes Gesicht nicht sehen.
Als sie 60 ist, hält sie es nicht mehr aus, kann dieses Gefängnis, wie sie ihr Leben bezeichnet, nicht mehr ertragen und erschießt sich am 8. Oktober 1985.
Ob ihr Geburtsjahr stimmt, ist unsicher. Sie soll oft geschummelt haben, sich fünf bis sieben Jahre jünger gemacht habe; auf Buchumschlägen, in Interviews, selbst gegenüber der Familie und Freunden.
Mit ihrem ersten Mann hatte sie eine kurze und unglückliche Ehe. Ihren zweiten Mann, Juan Manuel Lynch, lernte sie schon während ihres Philologiestudiums an der Universidad de Buenos Aires kennen. Er war Jurist; bei ihm reichte sie später die Scheidung ein und die beiden verliebten sich. Sie bekamen zwei Kinder, Marta Juana und Enrique.
Marta Lynch unterhielt mehrere Affären, die von ihrem Mann gebilligt wurden, da er wusste, dass sie diese Freiheit für ihr Glück oder zumindest für ihre Stabilität brauchte.
Sie schrieb gesellschaftskritisch. Schon ihr erstes Buch "La alfombra roja" (1962) erregte großes Aufsehen, da sie über einen rücksichtslosen Politiker schreibt, der menschenverachtend seinen Weg an die Macht verfolgt. Auch in ihrem zweiten Roman, "Al vencedor", geht es ähnlich schonungslos um den Zerfall einer Gesellschaft. Die Schere zwischen einem kleinen privilegierten Teil und den Verlierern der Gesellschaft wird immer größer, sodass keine Verständigung, geschweige denn Annäherung mehr möglich ist.
Gemeinsam mit zum Beispiel Silvina Bullrich, Beatriz Guido, Sara Gallardo oder Sara Gallardo gehörte Marta Lynch in den 1950er und 1960er Jahren zu einer Gruppe argentinischer Schriftstellerinnen sowohl beliebt als auch umstritten waren. Die Literaturwissenschaftlerin Lynch hielt Vorträge in Europa und ganz Amerika. Als Schriftstellerin wurde sie zu einer der zehn besten Geschichtenerzählerinnen erklärt. Ihr Werk besteht aus sieben Romanen und neun Sammlungen von Kurzprosa.
Ihre politische Haltung ändert sich im Lauf ihres Lebens. Im November 1972 reiste sie in der Charta, die Juan Perón zurückbrachte. Sie war zum Beispiel eine Rebellin, eine Anhängerin von Montonero (eine argentinische Stadtguerilla), eine Verteidigerin der Militärjunta.
In den Medien, zumeist in Zeitungen und Wochenzeitschriften, ist sie ständig präsent. Die Themen sind breit gefächert: das größte und bekannteste Seebad Mar del Plata als Sommerresort, ihr neuester Roman, Politik, die Rolle der Frau in der Gesellschaft, Sport oder die Bedeutung von Dulce de Leche (Milchkaramell) für die nationale Identität. Sie gab gerne zu allem ihre Meinung ab.
Das war in den 1960er/70er Jahren. Da gab es in allen Zeitungen wöchentliche Interviews mit Autor*innen: Borges, Sábato, Bioy, Mujica Láinez, Silvina Bullrich, Beatriz Guido, Dalmiro Sáenz, Marco Denevi und viele andere.
Später schrieb Fabián Casas in einem seiner Essays, dass sich die Situation geändert hat: „In Argentinien nimmt der Schriftsteller keinen Platz ein, niemand kümmert sich darum, was ein Dichter oder Romanautor sagt, ganz zu schweigen von den Philosophen. Dieses Ignorieren ist ein Segen, es hilft Schriftstellern, mit geschlossenem Mund zu schreiben und nur an ihre Arbeit zu denken.“
Sohn Enrique über seine Mutter: „Meine Mutter war zu Lebzeiten eine sehr berühmte Frau. Mit ihr auszugehen war, als würde man Arm in Arm mit einer Coca-Cola-Werbung laufen. Irgendwie nervig, wirklich. Aber ihre Bekanntheit machte sie glücklich. Ich habe sie einmal sagen hören, dass sie gerne eine Maipo-Vedette (Theatertänzerin) gewesen wäre, was natürlich ein Scherz war, aber mit echtem Hintergrund.“
Quelle: infobae.com
Leseprobe aus Erkundungen - 20 argentinische Erzähler, Verlag Volk und Welt Berlin, 1. Auflage 1975
Schlachtfeld
Die beiden Mädchen - die eine etwas älter als die andere - schritten entschlossen auf das Portal zu, doch dann, auf der Schwelle, zögerten sie.
"Soll ich dich hierlassen?" fragte die Jüngere.
Sie war groß und kernig. Getuschte Wimpern, Häkellook-Strümpfe, schöne Katzenaugen. Das breite Becken wölbte den Rock seitwärts, darüber trug sie eine Wildlederjacke, die sich eng an Schultern und Brüste schmiegte.
"Eine Bombe", sagte der Detektiv am Eingang und stocherte in den Zähnen herum.
Der Polizist hingegen überlegte, daß der Sechsundzwanzigste des Monats da war und er nicht einen Centavo in der Tasche hatte und daß sein Weib, eine Kreolin in den Fünfzigern, dick und sehr sanftmütig war.
"Jaja", brummte er, nur um nicht als Stoffel dazustehen...